Design und Handwerk sind Eckpfeifer der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Jedes archäologische Artefakt ist eine realisierte Idee – das Resultat aus Kopf- und Handarbeit.
Die Geburtsstunde von Design und Handwerk
Die ältesten Funde, grob behauene Steinbrocken, sind rund 3,3 Millionen Jahre alt (Spiegelonline, 20.05.2015). Und seit dem beschäftigt sich zumindest ein Teil der Menschheit mit der Gestaltung und Herstellung nützlicher Dinge. Quasi die Geburtsstunde von Design und Handwerk.
Trial und error hat schon immer funktioniert – bis heute
Durch „trial and error“ – eine Designmethode, die sich nachweislich bis heute erhalten hat – werden Form und Funktion der ersten Gebrauchsgegenstände immer besser den Anforderungen angepasst, die Materialwahl wird verfeinert und Bearbeitungsmethoden weiterentwickelt. Ein klassischer Designprozess, der sich Abermillionen male wiederholt und uns bis heute begleitet.
Vom Eigenbedarf zum gewerblichen Handwerk
Anfangs werden Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände vorwiegend für den Eigenbedarf hergestellt. Mit steigenden Anforderungen und der Entwicklung komplexerer Fertigungsmethoden kommt es nach und nach zur Spezialisierung. Das Handwerk wird gewerblich ausgeübt und der Handwerker hat in der Gestaltung seiner Produkte den individuellen Bedarf eines Auftraggebers zu berücksichtigen. Form und Ausführung dieser Unikate sind maßgeblich vom Auftraggeber und Konsumenten, von den Fähigkeiten des Herstellers und dem kulturellen Umfeld bestimmt.
Design und Handwerk in der Bronzezeit: Die Himmelsscheibe von Nebra
Die Himmelsscheibe von Nebra ist ein solches Unikat. Ein kultureller Meilenstein der frühen Bronzezeit. Nie zuvor dokumentiertes Wissen über Astronomie und eine bis dahin in Mitteleuropa unbekannte handwerkliche Fähigkeit, die Tauschiertechnik (Salzburgwiki, 2015), machen diese, mit Gold geschmückte Scheibe, zu einem wahren Meisterstück.
Malt man sich den Entstehungsprozess dieser Himmelsscheibe aus, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein und dieselbe Person über ausreichend Fachwissen aus Astronomie UND Metallbearbeitung verfügen konnte, um diese erste Abbildung des Firmaments herzustellen. Es ist eher vorstellbar, dass ein Schamane oder vielleicht die Dorfälteste, ihre Wünsche mit dem Dorfschmied besprochen hat. Der dann, nach einer schlaflosen Nacht, erste Designvorschläge präsentierte und in enger Zusammenarbeit mit der weisen Alten das Projekt „Himmelsscheibe“ realisierte. Mit größter Wahrscheinlichkeit wurde sie kultisch genutzt. Der hohe Aufwand bei der Herstellung und später vorgenommene Korrekturen der Funktion zeigen die große Bedeutung und den hohen Identifikationsgrad: sowohl für die weise Alte als auch für den Schmied.
Genau das macht das Handwerk so genial
Diese Darstellung der Entstehungsgeschichte der Himmelsscheibe von Nebra mag fiktiv sein, aber so sehr wahrscheinlich, dass sie hier beispielhaft für das Prinzip steht, welches das Grundwesen des Handwerks definiert – einen hohen Identifikationsgrad mit dem Produkt durch das Naheverhältnis von Konsument und Hersteller (vlg. Heufler, 2009).