Als ob es kein Heute gäbe werden für die Beschreibung des Handwerks Werke zitiert, die während der ersten industriellen Revolution zwischen 1850 und dem Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Eine Ära, die von harten Auseinandersetzungen pro und contra der industriellen Massenproduktion geprägt ist.
Handwerk oder Design?
In ihrem Buch „Handwerk oder Design“ (2014) beruft sich Melanie Kurz auf den oft zitierten Wirtschaftstheoretiker Werner Sombart, der in seinem 1902 erschienenem Werk „Der moderne Kapitalismus“ kein gutes Haar am Handwerk lässt. Den Handwerkern unterstellt er organisierte Mittelmäßigkeit. Er begründet das mit dem breiten Aufgabenspektrum, das ein freier Handwerker bei der gewerblichen Tätigkeit abzudecken hat und sieht den Handwerker als Generalisten – unfähig zur Spezialisierung – und bezeichnet ihn abschätzig als „Herr Mikrokosmos“ (Sombart 1902a, 84).
Seine pro industrielle und zu tiefst kapitalistische Einstellung wird durch seine Kritik untermauert, dass das Handwerk schon in den frühesten Organisationsformen nur das standesgemäße Auskommen und die Freiheit der Handwerker anstrebt, nie aber „höhere Ziele“, wie Kapital und Reichtum.
Sombart geht noch weiter: Er spricht dem Handwerk jeglichen kulturellen Beitrag zum damals noch existierenden Kunstgewerbe ab und sieht dafür allein die hohen Künste verantwortlich: „Das Handwerk ist seinem innersten Wesen nach der Tod des Kunstgewerbes“ (Sombart 1902a, 85).
Das Handwerk als Mittel zum Zweck
Einige Zeitgenossen Sombarts sehen das ganz anders. Es werden Theorien entwickelt und Vereinigungen gegründet, die das Handwerk in den Mittelpunkt des kunstgewerblichen Schaffens stellen und der handwerklichen Tätigkeit an sich einen sozialen Auftrag zuordnen.
Aus heutiger Sicht ist das eher der Versuch von Künstlern, Designern und Architekten das vermeintlich untergehende Handwerk für ihre eigenen Zwecke künstlich am Leben zu erhalten.
Beginnend bei William Morris und John Ruskin mit der „Arts and Craft“-Bewegung in England, Josef Hoffmann und Koloman Moser mit den 1903 gegründeten Wiener Werkstätten und auch Henry van da Velde, der im Deutschen Werkbund vehement für die Individualisierung von Gebrauchsgütern eintrat, mussten alle ihre Bemühungen, das Handwerk zu retten, aufgeben oder Konkurs anmelden.
Überleben aus eigener Kraft – hoch lebe das Handwerk!
Ob es an der Lebensunfähigkeit des Handwerks oder an der avantgardistischen Ausrichtung der Produkte gelegen hat, liegt heute, hundert Jahre später, klar auf der Hand: Das Handwerk hat aus eigener Kraft überlebt, trotz Wirtschaftskrisen, Weltkriege und der Globalisierung der Märkte – ganz ohne Vormundschaft der hohen Künste.